0151-21315985  D-64625 Bensheim

Julian Charrières „Controlled Burn“

Seit Mensch das Feuer bändigte…

Julian Charrières „Controlled Burn“ in der Langen Foundation

„Mining the Sky“ „And beneath it all flows liquid fire“ (Geschmolzenes Gestein). Und der Mensch zapft den Planeten an, bohrt Löcher hinein, wie in einen Käse, „porodiert“ ihn, wie einen Schwamm, der sich flüssigkeitsgesättigt vielleicht wieder im Gleichgewicht befindet, bis man ihn unter Strom setzt. Die Rahmenbedingungen verändert. Unter Druck werden die Fluide ausgepresst, unter Temperaturveränderung ziehen sich die Komponenten zusammen, oder dehnen sich aus, je nachdem… die Gase beginnen zu entweichen, und so weiter und so fort. Julian Charrière bringt Mensch / Betrachter zum Grübeln. Zum Staunen. Mensch, der sich tagtäglich ablenkt mit unterhaltsam lustigen Bildern und Videos, mit Rhythmus und Musik, der beginnt zu schwingen mit der umgebenden Lautheit. Sich synchronisiert mit der Umgebung. Mit den Herzen um sich. Mit den Energien um sich. Und Charrière spielt mit den Möglichkeiten.

Die Künstlerin Lonneke Gordijn mit Ralf Nauta und dem „Studio DRIFT“ hatten es an anderer Stelle erwähnt:

„Wir haben die Verbindung zur Natur verloren.“

Julian Charrière zeigt einen Weg sie wieder herzustellen. Meditativ. Durch das Eintauchen in erdgeschichtliche Momentaufnahmen. Das Erfahren von Erdgeschichte. Einer Geschichte des Brennens. Mal kalt. Mal heiß.

Auch Julian Charrière, genau wie dem Studio Drift, geht es um die Verbindung zur Natur.

Zum Überdenken des eigenen Tun und Handelns. Um die Frage nach Nachhaltigkeit und was wir tun können gegen Klimawandel und die Erderwärmung. Ein archiviertes Kreidefossil, eine in Eis überlieferte Pflanze, in einer tiefgekühlten Glasvitrine erhalten, gibt zu denken. „Tropisme“ (2015) Der Standort: In einer architektonischen Glasvitrine des Bauwerkes selbst.

Es ist Winter. Es ist kalt. Zieht man den Stecker, der Archiv-Vitrine in der Bau-Vitrine, wird das Fossil wohl sterben. Vielleicht. Wird ein Stück eingefrorene Erdgeschichte verloren gehen. Was aber, wenn man größer denkt? Und dem großen Ganzen den Stecker zieht? Dann wird es kalt. - Eiseskalt! – Die Erdgeschichte hatte immer wieder Kalt- und Warmzeiten, vielleicht hat der Mensch ein wenig die Geschwindigkeit verändert, und die Erwärmung schreitet schneller voran, aber vielleicht wird es auch wieder kalt. - Dunkel und kalt. Noch kälter. Was wird kommen? Was wird werden? - Bleiben?

Der koreanischen Künstlerin Won Seung Wons neueste Serie vom „Freezing Point of all“, mit der ARARIO gallery auf der Art Fair Singapore 2023 ausgestellt, zeigt, was AUCH sein könnte. Und Charrières Arbeit lädt ein zum ungeliebten Querdenken, dass alles so, oder auch so sein könnte. Und man hört Michael Endes alte Schildkröte Morla müde gähnen „Wir wissen es nicht“.

An anderer Stelle, nicht in dieser Ausstellung, hat Julian Charrière Bohrkerne aufgereiht. - Steinkerne. Auch im Eis wird gebohrt. Und all die Bohrkerne überliefern Erdgeschichte. Und gleichzeitig stören sie das Gleichgewicht.

Die Bohrungen stören die in sich ruhenden, geschlossenen Systeme. Die Bohrungen erschaffen Hohlräume. Öffnungen, durch die von außen nach innen dringen kann, wogegen die Schichten der Erde einen natürlichen Schutz gebildet hatten.

Und gleichzeitig kann durch all die Öffnungen entweichen, was fest eingebunden, eingeschlossen ist. - Erdgas? – Methan? – Unter Tage weiß man: Solange der Kanarienvogel singt ist die Welt in Ordnung. Wenn die Stille sich ausbreitet heißt es: Nimm die Beine in die Hand und lauf!

Wer die Nachtigall stört muss damit rechnen, dass sie aufwacht!

„Wir haben die Verbindung zur Natur verloren!“

Wenn wir die Stille wieder zulassen, sie wieder aushalten lernen, uns in Phasen der Isolation zurückziehen, um zu „denken“… vielleicht kann Großes entstehen. Wie eine Ausstellung der Größe von Julian Charrière. Die Ausstellung lädt ein zum Weiterdenken.

Charrière ist kein Naturwissenschaftler! Künstlerisch und philosophisch zeigt er auf, dass jeder Mensch sich seiner Verantwortung bewusst werden sollte, die er trägt. Die Verantwortung, die ihm geschenkten Möglichkeiten mit Hirn, Hand, Fuß und Verstand, weise zu gebrauchen. Vielleicht in Symbiose mit der Natur, von der er sich so manches bionisch abschauen kann.

Kreide und Schwämme, Radiolarien und Keramik, kontrollierter Brand und Quergedanken zur Durchlöcherung der Erde… Das Stück Anthrazit, Steinkohle, die regenbogenfarbenfett glänzt, wie ein gebrochenes Display eines Smartphones,… auf all das könnte die Arbeit von Julian Charrière hindeuten.

Die Bedeutung von OBSIDIAN, vulkanischem Gesteinsglas, das Spielen mit Roboterarmen, die wie im Tanz Feuersteine dazu bringen sollen Funken zu sprühen, ein Ballett der Künstlichen Intelligenz, die menschengesteuert den Betrachter verzückt, aber vielleicht schon lauert, es besser zu machen, als es der Mensch erdacht hat. Fließender und schöner, harmonischer und zarter, denn das nicht organische Hirn lernt mit und der Supercomputer merkt sich die neuen Gedankenansätze, gleicht in Sekundenbruchteilen ab und löst die ihm gestellten neuen Aufgaben in Windeseile. Man verliebt sich in den Anblick des Ensembles, das unter der Beton-Rampe tanzt und den wunderbaren Titel trägt „We didn´t start the fire (2022).“ „Die Regungen einer KI mit ihrer eigenen aufkeimenden Psychologie und Mythologie.“ Und vielleicht hat man Glück und für einen Moment begegnet man dem mechanischen Blick, verlinkt sich und der Sekundenbruchteil darf bei Charrière mehr sein als eine technische Notwendigkeit. Und wie der Sekundenbruchteil zu einem Moment der Gefühlsregung verleitet, einem emotionalen Impuls, so steht dem die Entdeckung der Langsamkeit gegenüber, im „Pitch Drop“ (2016), dem Pechtropfenexperiment, einem Zeitlupentheater, bei dem alle zehn Jahre ein Tropfen des Bituminösen durch einen Trichter fällt. Teer! Baumaterial und Quelle von Erdöl. Das schwarze Gold!

In seiner Videoarbeit „Controlled Burn“ (2022) spielt Charrière mit der Idee der Rückkehr zu Energiequellen via „Implosion“. Man muss an Bettina Pousttchi „The Curve“ denken, wie den Wendepunkt einer Parabel und verfolgt die rückwärtslaufenden Explosionsprozesse in einer Landschaft der Industriekultur mit ihren stählernen Kolossen, als wäre man selbst ein Insekt, oder ein flugfähiges Wesen, das mitten drin ist im Auge des Sturms. Dem „Spektakel“.

An Insekten denkt man auch beim „Panchronic Garden“ (2022) dem künstlichen Urwald, der, wie nächtlich auf gläsernem Grund in einem Spiegelsaal tausendfach vergrößert unendlich wirkt. Ein Farnwald, wie er ausgesehen haben könnte, bevor er abgelagert wurde vor 300.000 Jahren, im Karbon, welcher der Inkohlung preisgegeben, zu unserem heutigen fossilen Energieträger wurde. Die wärmende, Infrarot beleuchtete Szenerie ist magisch und wird nur durchblitzt von stroboskopischem Leuchten, wie Lebensfunken, die knisternd vitalisieren. Die Definition von Leben und Werden, von Sein und Vergänglichkeit,… Julian Charriéres philosophischer Ansatz wird durch den naturwissenschaftlichen Aspekt hervorragend ergänzt und der Untergrund, den man unter sich weiß, die abgelagerten Kohlen-Flöze und noch tiefer darunter die glutflüssigen Gesteine lassen ahnen, dass die Erde den Menschen nicht braucht, der Mensch aber wohl die Erde und sich entsprechend sehr weise in und im Zusammenspiel mit seiner Umgebung verhalten sollte.

Anlehnend an die Dreamachine des Beatkünstlers Brion Gysin, lässt Julian Charrières „Vertigo“, wie ein sich konstant drehender laser-lichtblitzender Bohrer, vom Wasser-verdampfenden Nebel gekühlt, in einem Raum, wie einer Höhle der U-Führenden FlussseifenGoldmine Witwatersrand in RSA, meditativ reflektieren, was man in der Langen Foundation gerade alles zu sehen bekommt und von welcher Tragweite diese Ausstellung ist.

Julian Charrière, der „Nichtwissenschaftler“ und Künstler mit seinem Kunst- und Philosophenteam stößt bei den wissenschaftlich gut ausgebildeten, belesenen, forschenden und simulierenden Naturwissenschaftlern vielleicht ein Tor auf kurz innezuhalten und das eigene Handeln für einen Moment zu überdenken, im Hinblick auf all die Generationen, die folgen werden, und denen man den wunderbaren blauen Planeten mit seinen grünen Oasen als einen lebens- und liebenswerten Ort erhalten will.

Cookies einstellen, dann kann´s losgehen! Auch unsere Seite nutzt diverse Cookies und Trackingmethoden zum Optimieren der Website. Durch die Verwendung von Cookies verbessern wir die Qualität, Bereitstellung und Nutzung unserer Dienste. Mit dem Klick auf „Alle erlauben“ erklären Sie sich mit der Verwendung einverstanden. Details über die Verwendung der Cookies sowie Trackingmethoden können Sie in unserer Datenschutzerklärung nachlesen. Änderungen Ihrer Cookie Einstellungen können Sie jederzeit auch noch nachträglich vornehmen.