Nadia Kimova
„Freundschaft beginnt mit einem Lächeln“ ist ein Zitat aus einem alten Lied, das Nadja Kimova aus der Kindheit mitgebracht hat. Offenes aufeinander Zugehen soll Vertrauen schaffen. Nicht urteilen, bevor man sich kennengelernt hat. Im Dialog Wege zu finden, wie ein Gemeinsam funktionieren kann ist, was die in Bulgarien geborene Künstlerin mit ihrer Kunst vermitteln möchte. Die Wirklichkeit sieht manchmal anders aus. In einer Zeit der vielen Worte, die so oft missverstanden und fehlinterpretiert werden, kann ein Bild auf einen Blick vermitteln, was gesagt werden soll. Gleichzeitig kann es Assoziationen in den Kopf spielen, die ebenfalls fehlinterpretiert oder missverstanden werden können. Die Kunst ist nicht weniger kompliziert, als das geschriebene Wort. Mit der Kombination aus beidem spielt Nadia Kimova. Am Ende wird es auch an den Erinnerungen und Erlebnissen des Betrachters hängen, wie ein Bild verstanden wird.
In der jüngsten Phase beschäftigt sich Nadia Kimova mit Alkohol-Ink, einer Technik in der die fluiden Phasen ineinander überlaufen und besondere, nebulöse Wirkung erzielen. Die Farben werden mit einem Latex-Binder angemischt, aufgetragen, einwirken gelassen und man kann die oberste Schicht schließlich abkratzen. Was bleibt ist das Bild der fluiden Phasenübergänge, bzw. die Wirkung der Phasen.
Das Spielen mit fluiden Phasen hat die Künstlerin schon in früheren Werken in Aquarelltechnik gezeigt. Das Fließen ist wie die Sprache der Seele. Die Kunstwerke von Nadja Kimova sollen die Seele berühren, sollen Gefühle und Empfindungen wecken und hinterlassen Spuren in der Erinnerung.
Erinnerung, ein Wert, den Nadja Kimova herausarbeitet in ihren Werken, in denen sie beleuchtet, was Menschen antreibt oder bremst. Was sie stärkt oder zerrüttet und was an der Seele nagen kann. Mit viel Gefühl für die Psyche des Menschen, mit Einfühlsamkeit in ein Gegenüber, das man in den seltensten Fällen kennt und sofort einschätzen kann, auch wenn gesagt wird, dass die ersten Sekunden zählen, lässt sie Momente lebendig werden, wie ein Abschied an einem Bahnsteig, aufbrechend zu einer Reise ins Ungewisse, in eine Zukunft, von der man nicht weiß, was sie bringen wird.
Oder der sehnsüchtige Blick aus einem Zugfenster, vielleicht voller Wehmut und Heimweh und mit einem Brief im Hinterkopf, der in die Heimat zurückgeschickt wird, in der man Freunde und Verwandte zurückgelassen hat, die sich vielleicht verraten gefühlt haben.
Nadia Kimova studierte in Sofia, später Mannheim, und arbeitet inzwischen in Karlsruhe. Sie hat eine lange Reise hinter sich, verschiedene politische Systeme und Kulturkreise erfahren, und kommt zu dem Schluss, dass das Wichtigste das Fühlen ist, das sich aus dem Reflektieren ergibt und das den Menschen ausmacht. Sich ausdrücken zu müssen und zu dürfen, die eigenen Gedanken über die Welt offen darzulegen, das schafft sie mit ihrer Kunst. Kunst als eine Sprache, wenn manchmal die richtigen Worte fehlen. Vor allem, wenn man in einer erlernten Sprache, einer Nicht-Muttersprache, kommuniziert, dann sagen Bilder vielleicht mehr, als Worte.
Die Sprache, geschriebene Worte, frühe Gedichte in Kyrillisch, in der Muttersprache Bulgarisch, tauchen immer wieder in den Werken der Künstlerin auf und verleihen den Werken einen Touch von Mystik. Die Seele der Heimat kommt durch. Die Sehnsucht nach der alten Heimat aber ist verblasst. Nur noch eine Erinnerung, auf die man vielleicht glücklich zurückblicken kann. Über die Zeit sind die Erfahrungen zu wertvollen Schätzen geworden, die man in sich trägt und aus denen man schöpfen kann. Auch, um Situationen oder Begegnungen besser einschätzen zu können.
In den jüngeren Werken der Künstlerin taucht immer wieder ein fehlendes Puzzleteil auf. Man grübelt wofür es steht. Der Betrachter darf es als Tor in die Psyche, als Portal ins Unterbewusstsein sehen. Darf sich Fragen stellen, darf nach den Hintergründen suchen, die Beweggründe zum Werk erfragen.
Eine Fotoserie aus der Vergangenheit, ein Kunstprojekt aus einer früheren Phase der Künstlerin sind wie ein Krimi in Einzelbildern. Ein Spiel mit der Psyche des Betrachters. Was bringen die Bilder beim Betrachter zum Vorschein? Welche Gedanken? Welche Assoziationen? Große Themen werden in Szene gesetzt und machen nachdenklich. Wieviel Wahrheit steckt in den düsteren Bildern, die man sieht und mit welchen Bildern assoziiert man, die man bereits im Kopf hat?
Wir sprechen über die Wirkung des Gesehenen und kommen auf den Punkt, dass früher in den Kopf gespielte Bilder eine Bedeutung haben, dass vielleicht gelesene Bücher, gesehene Filme, Krimis oder Psychothriller bei ihren Bildern so manches Mal zum falschen Schluss führen können. Nadia Kimova spielt bewusst damit den Betrachter nachdenklich zu machen. Ihre Bilder, wie auch Fotografien beweisen die Tiefgründigkeit und Nachdenklichkeit der Künstlerin.
Fern der Heimat zu leben und sich einen Platz zu erarbeiten, ja zu erkämpfen, prägt Menschen vielleicht tiefer, als in einer durchorganisierten, wohldefinierten Atmosphäre, geborgen und behütet vom familiären und freundschaftlichen Umfeld zu leben.
Die Herkunft der Menschen, aus welcher Himmelsrichtung auch immer sie immigrieren, spielt eine Rolle, aber wie oft hat man erlesene oder gesehene Bilder im Kopf, welche die Menschen aus der Fremde in Schubladen verbannen wollen. Nadia Kimovas Bilder machen nicht nur nachdenklich. Sie wirken auch wie eine Ermahnung, ja Aufforderung sich vom Schubladendenken zu befreien. Und für einen Moment taucht das Bild von Dali vor dem inneren Auge auf. Mit dem Schubladendenken aufzuräumen ist etwas, das wir in Nadia Kimovas Bildern lesen wollen.