Inge Lüthje
Perfektion wird offensichtlich erst durch Beharrlichkeit und unzählige Wiederholungen erreicht, in denen man sich und die angewendete Technik wieder und wieder verbessert. Inge Lüthjes Werke beweisen es. Ihre uns gezeigten Kompositionen wirken alle perfekt. Sie beruhigen. Ihr Gespür für Farbe ist beeindruckend. „Das Geheimnis ist komplementär“, erklärt die Künstlerin. Eine Farbe mit einer Komplementärfarbe zu kombinieren, wird immer zum perfekten Ergebnis führen. So findet man in ihren Bildern häufig die Kombination aus kräftigem Blau und hinzugezaubertem dezenten Rot, sowie Blau-Grün und Rot-Orange, etwas seltener Lila oder Gelb mit entsprechenden Mischungen. Die Farbwirkungen der Werke aber sind immer eindeutig. Es gibt eine dominierende Farbrichtung, die das Bild beherrscht.
Inge Lüthjes bevorzugten Motive sind die Menschen, so scheint es, bei dem was sie uns zeigt. Sie arbeitet vor allem mit Aquarellfarben und die Bedeutung von Wasser und Fließen wird zum Thema. Wir lernen von Inge Lüthje über das Arbeiten mit dem Fließen hinzu, was wir in Lehrwerken nicht lernen können und kommen auf die Bedeutung der Kunst in der Schule zu sprechen. Auch wenn es in der Schule hauptsächlich über das Erlernen von Mal-Techniken geht, kommen wir auf die Bedeutung von Kunst für andere Wissensfelder zu sprechen. Plötzlich sind wir thematisch in Asien und bei der Bedeutung der Kunst im Fernen Osten.
Das Wissen über den Umgang mit dem fließenden Medium Farbe in der Malerei, oder Tusche in der Kalligrafie, über das Fließverhalten von verschiedenen Malmitteln und Farben je nach Chemismus und Bedingungen des Untergrundes zeigen, warum Kunst durchaus mehr ist als nur das Beherrschen der Pinselführung. Kunst kann hinführen zum Verständnis von Naturphänomenen, von physikalischen Gesetzen, oder zum Begreifen von Bewegungsabläufen. Was hierzulande häufiger als unwichtige Randdisziplin abgetan wird, hat in Asien einen hohen Stellenwert und fördert das wissenschaftliche Denken, so überlegen wir laut, und Inge Lüthje fallen Beispiele ein, in denen Asien den Wert der Existenz und die Bedeutung der Vergänglichkeit bewusst macht, indem es Wasser-Werke hinterlässt, in denen Bilder aus Wasser auf Asphalt gezaubert werden, die dann wegtrocken, also unwiederbringlich verdunsten. Im Raum aufgehen, sozusagen. Ähnliche Beispiele sind Sandwerke, in denen Kunstwerke aus Sand erschaffen werden, die dann einfach wieder weggewischt werden. Oder, je nachdem wie fein der Sand ist, weggeblasen werden, also als Quasi-Elementarteilchen, im Sandfalle aus Siliziumdioxid, in die in die Winde verstreut werden. Diese Werke hinterlassen das Bewusstsein für Vergänglichkeit in einem flüchtigen Moment.
Die Faszination Tanz und Bewegung präsentiert Inge Lüthje immer wieder in entsprechenden Werken, gebrannt in Ton, oder gemalt auf Leinwand oder Papier. Das Faszinovum Mensch wird manchmal defragmentiert und sequenziert. Kubistische Züge finden sich häufig in Inge Lüthjes Arbeiten und die Tonskulpturen haben bisweilen engmaschige Draht-Gitternetze als „Skelett“, die sie offen wirken lässt.
In der Zeit der Pandemie 2020/21 waren keine Ausstellungen möglich und man hatte Zeit sich zu besinnen. Das kulturelle Schaffen war plötzlich ausgebremst und es war Kreativität für Alternativen gefragt. - Viele nutzten die Zeit und verlegten die eigene Präsentation ins Netz. - Sucht man Inge Lüthje im Netz findet man sie auf Pinterest, bei CRELALA Kunst, bei frog-blog.org oder in Ausstellungsankündigungen, wie der Ankündigung zur Ausstellung „Unterwegs“ im Oktober 2018, einer Ausstellung der Künstlergruppe Gruppe 78, einer Künstlergemeinschaft auf dem Mainzer Lerchenberg. Unterwegs zu sein ist die Übertragung der konfuzianischen Weisheit „Das Leben ist eine Reise“, was gern verkürzt dargestellt wird als „Der Weg ist das Ziel.“ Den Weg, den Inge Lüthje im Laufe ihres Daseins beschritten hat und beschreitet, erkennen wir in ihren Werken. Wir erkennen den Wert dessen, was sie erschaffen hat und wollen es erhalten. In einer Zeit, in der die sozialen Netzwerke und Medien Menschen mit Information, Desinformation und Bildern überfluten, hat Kunst immer mehr zu kämpfen seine Bewunderer zu finden. Unter Kunstbegeisterten auch überregional wahrgenommen zu werden gelingt den wenigsten Künstlern, wenn sie keine großen Mäzene oder Förderer hinter sich wissen.
Die Pandemie hat vielleicht der Kunst im Netz mehr Raum geschaffen, aber unter all den perlen jetzt die wertvollsten herauszufischen ist eine besondere Aufgabe, die täglich schwieriger wird, je größer die Masse an Kunst, die ihren Weg in den digitalen Ozean findet.