ARTe Konstanz 07/2021
So wenig kann so viel sein. Nur Weiß und Struktur. Material, das Schatten wirft. Materie, die Schatten wirft. Im Licht. Wenn dunkel, dann könnte man fühlen. Erfühlen. Könnte sich an den Linien und Strukturen entlangtasten und ergründen, was ein Künstler mitzuteilen hat.
Weiß bleibt niemals weiß. Es verändert sich, wie eine Seele, deren Reinheit und Unberührtheit anfällig ist für alles was kommt. Die Künstlerin hat mit Farbe im Untergrund gearbeitet, besser gesagt, sie hat den Untergrund mit Farbe vorbereitet, hat eine vielfarbige Basis geschaffen, die sie anschließend mit weiß überarbeitet. Wie weißes Licht, das sich aus den verschiedenen Wellenlängen zusammensetzt. So könnte das Weiß wie ein Symbol für Vielfarbigkeit sein. Das neue Weiß, wie Hoffnung. Das junge Weiß wird wieder den Angriffen der Zeit ausgesetzt und des Werkes Seele wird verändert. Das Wesen dessen, was man sieht. Die verschiedenen Strukturen der einzelnen Phasen werden herausgearbeitet. Sandgestrahlt, wie nach einem Sandsturm. Oder einfach nur im Lauf der Zeit. Was bleibt ist Textur. Und ohne Licht spielt es auch keine Rolle ob schwarz, weiß oder farbig. Das Gefühl ist was zählt.
Gunda Jastorff arbeitet mit Strukturen und Textur. Bei ihr findet man Spuren des Lebens, Spielereien mit Ordnung und Chaos oder Cluster mit Fäden, die wie Fühler nach außen Ausschau halten nach einer stabilen Verbindung.
Sie überliefert der Nachwelt vollkommen zerwühlte Laken, in deren Schattenspiel man sich je nach Lichteinfall verlieren kann und das den Geist zum Davontreiben anregt, um Geschichten zu finden, die hinter dem Sichtbaren auftauchen. Fantasie und Gefühl sind gefragt.
Fantasie auch für Werke, die parallele Strukturen abbilden, welche wie Wurmspuren aussehen. Oder Spiralen über parallelen Lagen. Oder andere Texturen, die den Betrachter ins Grübeln bringen.
Grübeln muss man auch bei Petra Wenski Hänisch. Langohrhasenseejungfrau mit Fisch? Man erfährt es handelt sich wohl um ein Bodensee-Fabelwesen, ein Maskottchen. Den „See-Häsin“. Geschichten möchte man dazu gern hören, aber wie so oft im Leben ist zu wenig Zeit. So wird man wieder sich selbst und seiner Fantasie überlassen und schmückt aus, was man durch Interpretation des Sichtbaren zu erkennen glaubt.
Sichtbarkeit ist ein Stichwort, das auf Kunst-Messen, wie einer ARTe Konstanz, großgeschrieben wird. Wie kann man in einer Bilderflut von unzähligen ausgestellten Kunstwerken herausstechen und so bleibenden Eindruck hinterlassen, dass der Messebesucher sich den Namen merkt und man auf einer anderen Messe durch einen einmaligen Stil wiedererkannt wird? Oder vielleicht auch einfach nur durch etwas Besonderes, das so absurd und sonderbar ist, dass es nicht mehr aus dem Gedächtnis verschwindet. Als Künstler/in gute Werke zu hinterlassen mag von besonderem Talent und gutem Können zeugen, und vielleicht hat der Künstler der Welt auch etwas mitzuteilen, über das es lohnt nachzudenken, doch die Gefahr kopiert zu werden und an anderer Stelle mit anderem Namen verwechselt zu werden ist immer groß. Was also macht die große Kunst aus, die man finden will?
Kunst lädt ein zum Nachdenken. Wie oft steht man einfach ratlos vor den Werken und fragt sich: WARUM? Warum tun Künstler, was sie tun? Warum malen Künstler was sie malen? Was ist die Faszination an der Abstraktion? Warum Formen verzerren? Verformen? Verändern?
Warum nicht. Galerien stellen sich diese Frage wieder und wieder und wieder, und Galerien wie die Pariser Galerie Art4You finden dann Perlen wie die Künstlerin Françoise DUGOURD-CAPUT oder Sylvie GEDDA, die dem Betrachter das genaue Hinschauen abverlangen und das besondere Sehen schulen.
Da findet man eine farbexplosive, abstrakte Serie, in der sich bei genauerem Hinschauen Gesichter und Figuren verstecken. Formen, Farben, angedeutete Strukturen, und immer wieder eingearbeitete Blasen, bilden als Triplett in länglichem Hochformat neben zwei übereinander gehängten Quadraten eine harmonische Einheit. Die Bildergestalten erkennt der nicht geübte Betrachter erst beim zweiten Blick. Es sind geniale Werke, die vor allem farbenliebenden Kunstliebhabern gefallen dürften, denn sie vermögen es während der Betrachtung die Zeit zu verlieren, weil man ganz eintaucht in das Werk.
Eine Stahlbrücke im Feuerschein in einer Endzeitfantasie unter brennendem Himmel, über Booten in einer Eislandschaft am Rande eines Abgrundes, der gischtbeschäumt nach unten reißt, während sich in der Ferne eine Betonstadtwüste am Horizont verliert. JICE der Name des Künstlers. Feuer und Eis! Was für ein Duett. Art4You pointiert es mit einem Blick von rechts, von einer sich auflösenden Jugend, einem besorgniserregenden Porträt.
Gasblasen aus der Tiefe, eingeschlossen im Eis? Oder Blasen eines Schlammvulkans? Wieder Blasen. Bubbles. Was sehen WIR in den Bubbles von Sylvie GEDDA. Wollen wir sehen? Bubbles in der Luft? Der Atmosphäre? Die Werke erinnern uns an Luftbild- oder Satellitenbilder von der nördlichen Hemisphäre. Strukturen sich auflösender Tundra. Oder Taiga. Auftauende Permafrostböden und eine Wasserlöcher- Seenlandschaft. Bilder wie Mahnungen.
Ein Titel lautet „L`Ordre Cosmique 2“ Ein Universum in Blasen also? Tatsächlich glauben wir in einem der Bubblewerke einen Planeten zu erkennen und die Fantasie geht mit uns durch. Wir haben nicht viel Ahnung von Wissenschaft, schon gar nicht von extraterrestrischen Phänomenen, aber wir fangen an zu sinnieren und überlegen. Dieser Planet, Vielleicht-Planet, strahlt schwach. Wie eine erkaltende Sonne. Eine Sonne, die an Strahlkraft verliert. Eine Sonne, die nicht zum Roten Riesen wird, sondern einfach nur aufhört zu strahlen. Die vielleicht nicht nur aus Gas besteht. Sondern vollkommen anderer Zusammensetzung ist und sich zu einem kalten Festkörper entwickelt. Und dieser Körper treibt in einem Universum aus Blasen. Wie einer kosmischen Badewanne mit viel Badeschaum. Die Bubblebilder regen die Fantasie an und man kann sich davonträumen in ferne Welten und eintauchen in Wahrheiten fernab unserer Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit in der sich der Mensch als die Krone der Schöpfung empfindet, dabei aber vollkommen vergisst, dass er abhängig ist von allem, was um ihn herum existiert.
Der Frage nach der Existenz hat sich auch Sabrina Seck in ihren Großformaten gewidmet. Unter anderem malt sie Tiere in ihrer ganzen Schönheit. Eines ihrer stärksten Werke ist eine Frau mit gelben Papageien vor den Augen. Es ist wie eine Metapher für die Blindheit gegenüber dem Verschwinden von immer mehr Arten auf diesem Globus. Sabrina Seck möchte Mensch ermahnen sich selbst in seiner Stellung zum Tier zu überdenken. Mit Tieren im Fokus betont sie, dass ihr der Tierschutz wichtig ist. Der Umgang mit Tieren soll immer wieder reflektiert werden und man soll sich darüber im Klaren sein, oder bewusst werden, dass ein Tier ein Lebewesen ist und nicht nur Fleisch auf dem Teller. Der Klimawandel und die Nachhaltigkeitsdebatte ist auch in der Kunst nicht mehr wegzudenken, obwohl die gewählten Motive bei Sabrina Seck nicht sofort an Klimaschutz denken lassen. Die Künstlerin hinterlässt beeindruckende Großformate, die in jedem Fall ein Hingucker sind.
Ein weiterer Hingucker und eine definitive Aufforderung hinzuschauen sind die großformatigen Blüten von Yvonne Präger. Die Künstlerin malt im Blow-Up-Effekt, und will die Schönheit von Flora und Fauna näherbringen, an der man in Zeiten von Smartphones vor der Nase gerne vorbeigeht, ohne sie wahrzunehmen. Das Einzigartige in der Realität wird nicht mehr wahrgenommen. In Ihren Blumenbildern konzentriert sich die Künstlerin auf die Vielfalt der natürlichen Farbnuancen. Die Arbeiten von Yvonne Präger haben immer ein reales Foto als Vorlage und die Farbtiefe zieht einen bei längerem Betrachten gefühlt in das Bild hinein.
Eine große Freude ist es endlich wieder alten Bekannten wie Matthias Kretschmer zu begegnen. Man ist nach wie vor fasziniert von den großformatigen Werken, welche die Quadratur des Kreises so einmalig auszudrücken wissen. Löffel, Gabeln, Patronenhülsen, Zigaretten, es gibt nichts was Matthias nicht in einen Kreis verwandeln kann. Mit Spiegelung und Glas werden die Arbeiten dann zu regelrechten Magic Keys. War Kretschmer vor Corona noch hauptsächlich als der Mann mit den Löffeln bekannt, hat er sich während der Pandemie auch einen Namen als Mann mit den unterschiedlichsten Masken gemacht. Mal ernst, mal humorvoll, mal bizarr, ganz Kretschmer eben. Alle Masken gestiftet für einen guten Zweck in der Heimat. Würde es Matthias Kretschmer nicht schon geben, dann müsste man ihn erfinden.
Harry Ergott aus Wien sticht uns ins Auge mit einer Figur, die am Boden ist, neben einem Bild wie John Lennon und einer asiatischen Schönheit (wie man denkt. Tatsächlich steht man vor einem Abbild der isländischen Sängerin Björk wie der Künstler die eigenen Gedanken korrigiert). Die Arbeit erinnert an eine Frau in Haltung einer Katze, aufmerksam, wach, kurz vorm Aufrichten und zum Sprung bereit. „Kubisiert“ in Blau, eine Körperstudie, die mehr als fasziniert. Ergotts Arbeiten spielen gekonnt mit der fatalen Attraktion von Frau. Fast immer in zarten Farben. Pastell. Vielleicht Metapher für Fragilität. Mann taucht nur zweimal auf. Als Einer mit Pullover in Schwarz, den Rollkragen zur Unkenntlichkeit übers Gesicht gezogen, die (vielleicht) Angebetete im Arm, der Träger des Kleinen Schwarzen nicht auf der Schulter, Absicht?, und ein weiteres Mal als Einer, der an Lennon erinnert. Vielleicht wegen der Nickel-Brille. Das Einzige Werk mit Tendenz zum Spektrum Rot. Das Gros von Ergotts Werken bleibt im Spektrum Blau, Blaugrau und Grün.
Ein Tänzer in Grün, mit rotem Hut, zieht uns ein paar Meter weiter in seinen Bann. Tänzelnd hinter Fenstern, vor denen ihn eine Möwe schaut, scheinbar im Flug stehend begleitend, nachahmend, simulierend, als wäre die Möwe nur der Spiegel des Tänzers, im Draußen, vor dem Glas. Die Künstlerin GABRIELLA PROKAI ist eine, die sich eigentlich aufs Malen von Gesichtern versteht. Hauptsächlich Frauen. Hauptsächlich Jugend. Wieder farbberauschend, mitreißend tief. Es sind die Augen, welche bestechen. Haltung und Emotion werden betont. Licht ist ihr wichtig. In ihren Bildern kratzt sie und beleuchtet, spielt mit unterschiedlichen Abständen von den Kanten und versucht immer wieder neue Lichteffekte ins Bild zu bringen, mit denen sie Risse, Linien und Kuben an den Tag bringt, welche sich in ihren Werken wiederfinden.
Der Blick zurück beim Tänzer, kann man sich vom Anblick nicht lösen. Man taucht ein in eine Geschichte. In ein Märchen. Man möchte sich setzen und zuschauen, wie er sich verwandelt. Wie er abhebt und davonfliegt, wie sein Gegenüber, die Möwe, vielleicht im Gleichtakt des Flügelschlags, Seite an Seite. Dieser Tänzer fördert alle Fantasie zu Tage, welche man sich vorstellen kann. Ein starkes Werk. Ein Wunderwerk. Ein Meisterwerk.
Milanda de Mont erkennt man sofort wieder. Die Flüchtigkeit, die Genialität der Andeutung in vollendeter Abstraktion, Flüchtigkeit und Auflösung, wie davonschwebend in eine andere Dimension, sich verflüchtigende Farbe, auflösend in Nebel, zeigt die Künstlerin eine Welt hinter der Wirklichkeit.
Eine großformatige Abstraktion von Raum mit blauen Pointen wirkt aus der Ferne betrachtet wie eine Zeitung. Näher betrachtet könnte man sich Stockwerke eines Gebäudes in Beton vorstellen. Das Gehirn sucht nach Lösungen für das was es sieht.
Sofort eine Lösung hat es bei einem weiteren Werk von Milanda de Mont. Eine Szene, wie ein beleuchtetes Portal, ein Portal im Licht, dessen Schein in einer weiteren Ebene auf eine Bühne führt. Blau in tiefer Nacht. Ein Tänzer und ein weißer Schleier, zu groß für das Portal, ziehen den Blick auf sich. – Alles nur Einbildung?
Einbildung wie das Pferd, das man in den Abstraktionen von Heidi Kamin zu erkennen glaubt? Wir erinnern uns an ein Buchcover von Cervantes` Don Quixote. Das magere Pferd und der behutete Windmühlenbekämpfer. Wir müssen lächeln. Was Kunst doch immer wieder so als Vorstellung hervorzaubern kann. … Ähnlich wie Milanda de Mont zerfließen die Formen und wirken wie Auflösung in Nebel. In Kamins Erdtönen und Grautönen können Fantasiebegabte Gesichter erkennen, Hände die sich gen Himmel strecken, oder Figuren, die man mit irgendetwas in Bezug bringt, das man schon einmal gesehen hat. Die Bilder sind wie ein Sog in die Anderwelt, wenn man sich darauf einlässt. Wenn man sich Zeit nimmt.
Sich Zeit zu nehmen, diese Aufforderung hat Margot Kupferschmidt für den Betrachter in Farbe gebannt. Eine Frau im pinken Sessel. Quer! Ohne Smartphone, ohne Hast, ohne Eile, einfach ruhend. Der Stecker ist gezogen! Die Frau wirkt glücklich. Zufrieden.
Was für eine Vorstellung. Einfach dahintreiben zu können, sich in die Anderwelt fallen zu lassen, in eine Fantasiewelt voller Märchen und Geschichten, Kraft der Gedanken abzutauchen in eine Existenz, die man sich erträumt. Während auf der gegenüberliegenden Seite ein Mann mit Basecap mit gequältem Gesichtsausdruck auf dem Fahrrad strampelt. Es wirkt wie ein Strampeln gegen den Strom, gegen die Fahrtrichtung, oder sind es nur in Fahrtrichtung parkende Fahrzeuge? An der Absperrung vorbei kommt man nur mit dem Rad. Das hat man während der Pandemie gelernt. Und er strampelt und strampelt und strampelt. Das ist nachhaltig. Umweltfreundlich. Und hält fit. Man schaut noch einmal nach links. Die Frau im pinken Sessel wirkt WIRKLICH zufrieden.
Pink, pink, pink und immer wieder pink. Pink auch die Werke von Claudia Botz. Pink und Blau. Die Künstlerin selbst beschreibt ihre Arbeit wie folgt: "Meine Arbeiten REFLECTING MOVING ART zeigen abstrakte Strukturen und Aufbrüche. Sie bringen den Betrachter dazu Perspektive und Standpunkt zu wechseln um eine neue Wahrnehmung zu erleben. Verschiedene Techniken und Materialien entwickeln im Entstehungsprozess ihr Eigenleben mit unvorhersehbaren Rissbildungen und unterschiedlicher Farbaufnahme. Ich ergänze in meinen Arbeiten die 2-Dimensionalität eines Bildes mit den Dimensionen Licht und Bewegung - meine Bilder muss man erfahren: neue Positionen, ein anderer Blickwinkel und man sieht das Gleiche wieder völlig neu.
Durch Einsatz unterschiedlicher reflektierender Materialien verändert sich die Wirkung der Werke. Je nach Lichteinfall wirken die Bilder wie elektrisiert und erleuchtet, um einen Schritt weiter die Aufmerksamkeit auf den vorher unbeachteten Hintergrund zu ziehen. Die Arbeiten mit konträren Farben wie Pink in allen Variationen, kombiniert mit dunkel schimmernden Blautönen oder vibrierenden Gelbtönen überraschen mit ihrer kraftvollen und beglückenden Wirkung. Damit bieten sich verschiedene Sichtweisen und Facetten, erinnert und inspiriert Sie in jeder Veränderung die Schönheit zu sehen, sich sinnlich darauf einzulassen und Perspektive und Standpunkt zu wechseln. Das Auge des Betrachters geht in den Bildern auf Reisen, entdeckt immer wieder einen neuen Lieblingsplatz – eine Meditation fürs Herz".
Die ARTE Konstanz holt einen wieder in die Anderwelt von Kunst und Kultur. In eine Welt des Wunderns und Bewunderns und es wird gezeigt, was Neues entstanden ist in Zeiten von Corona. Andreas Kerstan, Geschäftsführer der ARTe Kunstmesse GmbH hat zur ersten ARTe in Konstanz geladen und zeigt, dass Kunst nach wie vor verzaubern kann. Während die moderne Kunst schon lange auf Licht, Bewegtbild und Elektronik setzt, um in digitalen Zeiten neue Wege und nicht unterzugehen, findet man immer wieder Perlen der malenden Szene, die noch etwas mitzuteilen haben, das man so noch nicht gesehen oder entdeckt hatte.
Das pinke Rad in finsterer Nacht, eine Nachtaufnahme von Cédric Fontaine, trägt den denkwürdigen Titel „Pink Lady“. Es erinnert an Kindheit. Riesenräder auf Jahrmärkten, die einen hoch nach oben befördern, wo man sich einen guten Überblick verschaffen kann, bevor man wieder nach unten gefahren wird, gen Boden, auf dem man fest stehen und mit neuen Ansichten in die Zukunft aufbrechen kann. Die beleuchteten Nacht-Stadt-Ansichten, oder auch Stadt-Nacht-Ansichten, präsentiert von der schon erwähnten Pariser Galerie Art4You faszinieren. Vor allem an der Pink Lady und den blauen Zwillingen kommt man nicht vorbei, ohne genauer hinschauen zu müssen. Farbiges Licht bietet mehr als nur ein Wohlgefühl für die Sinne.
Die Sinne werden auch von Sabine Maria Schirmer angesprochen. Der Welt entrückt, ohne Haare, geschlossene Augen, langgestreckt, Arme dicht am Körper, wie in einer Röhre steckend, erinnern ihre Skulpturen an Skelettonfahrer, die in Hypergeschwindigkeit durch einen Eiskanal jagen. Die Figuren der Künstlerin sind ästhetische Augenweiden, die zum Anfassen einladen, was man sich natürlich verbietet, denn es ist nicht ausdrücklich erlaubt, oder gewünscht, also gibt man sich damit zufrieden, dass sie beeindrucken. Sie berühren das Herz. Vor was für Wesen steht man, wenn man ihnen gegenübertritt?
Auf der ARTe Konstanz sehen wir, wie auch schon in den Jahren vor der Pandemie, viele Frauenabbildungen. Farbstarke Großformate, die immer wieder vor allem Augen betonen. Augen! Die Bedeutung der Augen ist überdeutlich. Die Bedeutung des Sehens!
Sehen und Gesehenwerden, darum dreht sich alles. Nicht nur in der Kunst. Alles ist Show! Vor allem in der Kunst. Ist es das, was Künstler wollen? Brauchen? Wer Werke hinterlässt, mit Porträts von Frauen mit verschlossenen Augen, Augen hinter Sonnenbrillen, Augen über die quergestrichen wird, Augen, die offenbar brennen, oder leblos kalt sind und schwarz, was soll uns damit gezeigt werden? Sind es Werke für die Wand? Dekorationsobjekte? Oder verbirgt sich doch eine tiefergreifende Aussage dahinter?
Was wäre Kunst ohne das Sehen? Wie müsste Kunst beschaffen sein, wenn das Sehen verschwände? Wenn plötzlich alles dunkel wäre?
Wir denken besser nicht weiter darüber nach und freuen uns einfach, dass Kunst nach dem Lockdown endlich wieder gesehen werden kann. Nicht nur digital. Das reale Leben findet draußen statt. ONLINE sollte nur eine Ergänzung sein!