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Thomas Schütte Skulpturen

PHILOSOPHENSTEINE, GEBRANNTE KÖPFE, DREI MANN IM WIND UND EIN EISESHAUCH IM WINTER

Thomas Schütte in der Skulpturenhalle Neuss / Museumsinsel Hombroich

Gebrannte Köpfe mit Glasuren, deren atemberaubend schöne, unterschiedlich farbige Strukturen beeindrucken. Deren abstrakte Vielfalt und Formbildung, durch die Nichtmischbarkeit von Materialien entstehend, faszinieren und bewegen.

Großskulpturen!

Es sind die wahrscheinlich letzten Bronzen von Thomas Schütte. „Mann im Wind 1“, „Mann im Wind 2“, „Mann im Wind 3“, so wird uns erklärt.

Ein Dreigestirn, das vor der Skulpturenhalle steht, wie miteinander im Dialog. Und Pfützen geschmolzenen Schnees im eisigen Wetter, zeigen Strukturen, die Thomas Schüttes Kunst erweitern.

Für einen kurzen Moment darf man sich fragen: Welche Stoffe reagieren miteinander? - Wie? - Was können Wind und Wetter Kunst anhaben? – Den Plastiken! – Den Skulpturen! - Je nachdem, welche Stoffe bei Wind und Wetter mitschweben, im Wind. Je nach Stofflichkeit der Skulptur. Des Materials, der Form.

Beim Mann im Matsch (Model 1:10) 2009, Bronze patiniert, wird erklärt, die Nägel sind eigentlich nicht als Teil der Figur gedacht. Sondern Abstandhalter. Akzente, die nicht entfernt wurden.

Wem nichts erklärt wird, und so wünscht es sich Thomas Schütte, der beginnt selbst zu denken. Der fragt sich vielleicht, ob es sich bei den Nägeln um Symbole handelt.

Vielleicht um Zeichen. Stehend für Tortur.

Der Mann im Matsch steht im Rücken des geöffneten inneren Bereichs der Skulpturenhalle, wie ein zwiegespaltener Kreis, eine sich teilende Zelle, in der ein tönerner Frauenkopf mit geschlossenen Augen, wie schlafend, in Kontemplation versunken, zeitlos existiert.

Die Philosophensteine liegen wie zufällig, farbig vor dem inneren Zwiespalt des Zirkels, rechts wenn man hineinschaut, links, wenn man herausschaut (je nachdem…, irgendwo müssen sie ja liegen, und es sind ja nur fünf), und über allem breitet sich das Strahlen der Decke der Skulpturenhalle aus.

Man findet einen Hund, der aussieht wie ein Fabelwesen, mit Helm auf dem Rücken, wie der Panzer einer Schildkröte. Das Fabel-Hunde-Tier ist wie ein Mischwesen, aus allen möglichen Kreaturen.

Und nahe der Kasse:

Gloveheads! (2022) Und manch einer erinnert sich vielleicht an Krankenhausaufenthalte in der Kindheit, oder an der Seite von Kindern, als Ärzte aus Gummi-Handschuhen, wenn gerade nichts Anderes zum Spielen zur Hand, Geschöpfe als Fantasiewesen in die Köpfe der Kinder spielten.

Mit aufgemalten Gesichtern, denn sonst wären es nur aufgeblasene Handschuhe. Aber: Punkt, Punkt, Komma, Strich… und schon ist es fertig das (…-)Gesicht.

Ohne aufgemalte Gesichter könnte man bei den „Gloveheads“ auch einfach nur Fingerfiguren sehen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Der Betrachter ist ganz sich selbst überlassen. Er darf alles annehmen, aus all dem Erlebten, Erträumten, Erdachten und Angelesenen. Wesen erwachsen lassen, Fantasiewesen erschaffen.

Und mit der Fantasie spielt Thomas Schütte auch in den Spiegelungen der Glasuren. Mal mischbar, eigenwillige Farben ergebend, mal nicht mischbar, gut getrennt nebeneinander verlaufend, neue Strukturen ergebend, das Material, die Oberfläche überziehend, versiegelnd, gegen weitere Einflüsse, vielleicht vor Verwitterung schützend. Vielleicht mit einem experimentellen Gedanken, kristalline Strukturen hervorzurufen. Vielleicht, so wird möglicherweise manch einer vermuten, in der Versuchung natürliche Prozesse nachzuahmen. Wie das Wachstum von (Eis-)kristallen. In der Hoffnung dem Klimawandel Einhalt gebieten zu können. Es selbst in die Hand nehmen zu können, was auch immer an Vorgängen in der Natur existiert. „Intelligentes Design“! Welche Temperaturen bewirken was? In welchen Verbindungen? Welche Rahmenbedingungen sind notwendig, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen? (Quergedacht in jede Disziplin hinein.)

An der Wand ist eine durchdeklinierte Abfolge von Arbeiten, die Thomas Schütte aus seiner Zeit zusammen mit Richter angefertigt hat.

Hysterie (1979) – Lackfarbe auf Papier

Der Buchstabe H, der je nachdem, wie jeder Strich angeordnet ist, zum A, oder zum X mutieren kann. Sogar ein Chromosom glaubt man zu erkennen.

Das H, das erste Element im Periodensystem, mal zwei, in Kombination mit O,… Sauerstoff! Inbegriff für Leben,…! Und die Genialität der Schütte´schen Arbeit erschließt sich, wenn schon nicht auf den ersten, dann doch auf den zweiten Blick. Die Arbeit des Künstlers ist, wie bei so vielen Künstlern, (geo- )physikalisch, chemisch, biologisch, mathematisch interpretierbar!

H!!!

Wasserstoff! (Vielleicht.)

Und einer der Damen-Köpfe thront auf einem Korpus, der tief blicken lässt.

Was passiert mit der fluiden Phase…?

Mit den fluiden Phasen, die auf den Boden treffen?

Und was wiederum passiert mit ihnen, wenn sie ihre Phase wechseln.

In welcher Phase existiert was? Fest – Flüssig – Gasförmig? Wo liegt der Kritische Punkt? Unter welchen Bedingungen finden die Phasenübergänge statt? Erstarren, Verflüssigen, Verdampfen,… Kristallisation, Kondensation, Sublimation, … Welche Rolle spielen Entropie? Diffusion? Und die Köpfe sind das Ergebnis der Experimente mit den Stoffen, des kontrollierten Brandes, im Ofen. - Manchmal, so wird erklärt, gingen unzählige Fehlversuche voraus, bevor der Meister zufrieden lächelte, weil er den Geist in den Wassern, den fluiden Phasen in den tönernen Materialien, bezwungen hatte.

Der Geist in den Wassern!

Beschworen, wahrscheinlich seit es die Menschheit gibt.

Gute Geister?

Böse Geister?

Was ist drin in den Wassern, die versickern, mit aus der Luft aufgenommenen Teilchen aller Art. Pollen, Feinstaub, Elementarteilchen,… mit all ihren physikalischen Extravaganzen!

Thomas Schüttes Arbeit fasziniert. Nicht nur Künstler dürften sich inspiriert fühlen Konzepte für ihre Ausstellungs-Anordnungen in ungewöhnlichen Ambiente zu erdenken, auch Architekten dürften sich hier zu Hause fühlen. Und vielleicht konnte so manch einer sich mit dem Künstler unterhalten, und aus dessen Erfahrungen schöpfen, für das eigene Arbeiten. Das Haus, mitsamt Nebengebäude,… eine besondere Symbiose auf einem wunderbaren, kreativen Gelände, in einer besonderen Umgebung.

Inspirierend!

Und ganz frisch aus dem Ärmel geschütte(l)t, eine Serie aus dem Jahr 2022/23: „Aus der Weihnachtsbäckerei“ – Keramik, glasiert. Im Zusammenspiel mit der Serie „Wolken“, 2022 (Pinselätzung und Carborundum).

Zuletzt sollen nicht unerwähnt bleiben: Drei Bunker! So werden drei Arbeiten erklärt, wie architektonische Entwürfe, sinnbildlich für – Lunge - Nase – Augen, so stehen die Werke auf ihren Sockeln und beim Seitenblick nach rechts, auf die H-Wand, und dem zweiten Blick nach links, auf die Köpfe, kann man sich vorstellen, wie Viren und Bakterien sich ihre schützenden Behausungen suchen. Ihre Bunker! Wie die Wurmstrukturen, gezeigt in den neuesten Arbeiten. Tönerne Gebilde, wie gespritzte Schläuche, Kriechspurenartige oder besser: Bohrungs- bzw. Grabungsartige schlangenförmige Abscheidungen. Frisch „Aus der Weihnachtsbäckerei“! Und sie fügen sich ein in Schüttes Großes Ganzes!

Was macht das Leben aus?

Welchen Gefahren ist es ausgesetzt, wird es bewusst anpassen?

Wie schnell?

Und WER hält schützend die Hand über all jene, die wehrlos ausgeliefert sind, den inneren und äußeren Rahmenbedingungen?

Thomas Schüttes „Mann im Wind“ vielleicht.

Einer von Dreien.

Aber das ist nur so ein Gedanke!

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