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"Verticals" auf der ART COLOGNE 2024

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Sunset in New Mexico und Drippings in den Wüsten der Welt – Gerard Verdijk und die Brücke zu "Aboriginals" - Ein Erklärungsversuch

Der Blick durchs Fenster am Abend, wenn sich die Luft abkühlt zeigt wie das Wasser an den glatten Oberflächen, wie Glasscheiben, kondensiert und an den Glasfronten herunterläuft. Es ist Gerard Verdijks Überlieferung von Verticals.

Gerard Verdijk gibt eine Ahnung davon, wie sie entstehen, wenn Kondensation einsetzt und Phasen transformieren. Metamorphosen, je nach Druck, Temperatur und Masse von Atomen und Molekülen, oder kleiner. - Elementarteilchen. - Man kann sich fast vorstellen, wie die Tropfen unten ankommen.

Die Galerie Smith Davidson Gallery schlägt die Brücke zwischen dem Vagen, Nebligen, Schleierhaften, das entsprechend einer Erklärung nach New Mexico verortet wird und den Drippings der "Aboriginals". Besser gesagt „dot paintings“, die den Kunstwerken der Ureinwohner arider Gebiete, vor allem aus Afrika oder Australien, wie den Aboriginees nachempfunden ist.

Was wird im Fluid mitgenommen? Was transportiert? Welche Partikel erreichen den Boden, welche clustern in den nebligen Schleiern zusammen?

Gerard Verdijk ist Physik, wenn man es denn so will. Ein Wunderwerker als Auftakter zu den Drippings der Keramikkünstler seit grauer Vorzeit.

Vielleicht sind die "dot paintings" inspiriert von der Idee, dass die partikelschwere, feinstaubschwangere, staubgesättigte Luft sich am Ende der Schwerkraft beugt. Jetzt mag man sie nur noch einer besonderen Ordnung unterwerfen. In der Kunst ein Leichtes, wie Scherbenfunde aus den Jahrtausenden Mensch beweisen. Vielleicht wieder mit dem Brückenschlag nach Pompeji, der Stadt im Schatten des Vesuvs, oder anderen archäologischen Ausgrabungsstätten.

Kenny Williams Tjampitjinpa, Johnny Warangkula Tjupurrula, Freddie Timms und Bill Whiskey Tjapaltjarri sind nur einige der Namen, die man liest , die sich tropfend auf den Großformaten verewigt haben. – Wer das Reisen liebt und sich ab und zu dem Fernweh hingibt ist in der 1969 gegründeten, niederländischen Galerie Smith Davidson, als eine der vielen Adressen auf der Art Cologne, gut aufgehoben.

Die ausgestellten Arbeiten sind neben dekorativer Schönheit zugleich mahnender Zeigefinger. - Ein etwas anderer Beitrag zur Klimadebatte. Zur Betrachtung der Welt und unserer Verantwortung darin.

Irgendwo auf der Art Cologne hat man gelesen „Wasser nie“ - Beim Blick in die Gewässer, auf die Gletscheroberflächen und in die Brunnen der Welt ahnt man von der Bedeutung der künstlerischen Aussagen. Beim Blick auf das Wahrzeichen der Stadt Köln erkennt man die Schwärze des Karbonatisierten Sandsteins, ursprünglich gelblicher Farbe.

Die Veränderung der Architekturen der Welt unter Umwelteinflüssen und Verwitterung geht in einer Geschwindigkeit voran, dass man kaum nachkommt mit den Restaurationen, und vielleicht erinnert man sich: In der UN Wasserkonferenz und der UN Vollversammlung hat man die Dringlichkeit der 17 global goals angesprochen. – Bedeutende Reden der Staatsoberhäupter der Welt, in denen mehrfach von den „watershed moments“ die Rede war.

Die Bedeutung der Fluidphasen zeigt sich auch bei Jiri Dokoupil, der sich den Bubbles in jedweder Form angenommen hat. Blasen in der Luft? - Zellen, in denen Signale eingefangen werden könnten? Bubbles in den Clouds? Wieviel Spannung halten Molekülketten aus? Wie weit kann man Massen raumdehnend ausweiten? Unter welchen Bedingungen sind sie flüchtig, oder verfestigend?

Stabil. Sole, Salzwasser, bzw. Meerwasser, das unter Hitze verdampft und ausgefällte Salze zurücklässt, die in der Industrie gebraucht werden…

Was ist der Geist in den Wassern? Die Zusätze und Fremdstoffe, organisch oder anorganisch, die über die Fluidphasenbewegungen und Ströme in alle Welt verteilt werden? Was ist flüchtig genug aufzusteigen? In die Atmosphäre?

Und was hat das alles mit den Digitaldrucken von Mark Wilson zu tun? Großformatige Abbildungen von Wafer-Strukturen aus der Halbleiterindustrie. Mark Wilson ist ausgestellt bei den Collaborationen. DAM Projects aus Berlin, liest man. Auf der Rückwand der Ausstellungswand der Generative Art.

Was kann sie, die Generative Art, welche Möglichkeiten bieten sich und wie kann man beim Arbeiten mit ihr spielen, beim Abgleichen, Bilden und Denken?

Quergedanken zur Forschung und zu Computer-Simulationen tauchen auf. Und bei New Istanbul mit Tayfun Erdogmus bekommt man eine Ahnung von den Wechselwirkungen der Kräfte, als hochwertig großformatige Ansichten von Oberflächen-Strukturen und den Farben der Erde.

Man denkt kurz an internationale Collaborationen, internationalen Handel, Mining und Rohstoffgewinnung. Und kaum einen Gedankensprung weiter ist man bei der Erinnerung an die Ausstellung „Den Flussläufen folgen“, Anfang der 2020er Jahre.

Euphrat, Tigris, Rhein, Donau, Nil, Ganges, der gelbe Fluss, Mississippi, Orinoco, Amazonas. - Was transportieren sie, die großen Ströme unserer Welt? - Seifen für Blasen?

Alles ist im Fluss. - Alles fließt. - Es ist nur eine Frage der Phase. Was sich in der Kunst zeigt ist häufig erstarrter Fluss, oder aber noch zähflüssiges Geblubber in einer Lavalampe, wie bei Charim unter den New Positions.

Erde und Natur immer wieder mit in den Fokus zu nehmen ist hierzulande nicht so populär, wie dort, wo man sehr vorsichtig ist beim Abbilden von Menschen.

Vielleicht den Alten Hochkulturen geschuldet ist das ganzheitliche Denken immer mit Blick auf die Auswirkungen des eigenen Handelns eine zutiefst traditionelle, südliche und östliche Mentalität. (Von Europa aus betrachtet)

Die Natur- und Erdverbundenheit ist mit ernstem Hintergrund auch immer wieder als Merkenzeichen der Galerie Zilberman aus Istanbul, mit Sandra del Pilar, Isaac Chong Wai, Itamar Gov, Azade Köker, Lucia Tallová und Simon Wachsmuth, zu erkennen. Überraschend neue Ansichten, wie vielleicht Bohrlöcher in die Tiefe unter Trichtern der Oberflächeneinflüsse. Oder andersherum gedacht: Trichter am Ende der Bohrungen, wie Kimberlitpipes mit den darüber liegenden Abbaukratern.

Die Erde zu achten und ihre Kreaturen darauf, sowie einen menschenwürdigen Umgang mit- und untereinander auszubilden, wie kann man Menschen dementsprechend erziehen, ohne restriktive Maßnahmen? Ohne tiefgreifende Indoktrination und unter Berücksichtigung der Erhaltung familiärer Bindung? Ist das überhaupt noch zeitgemäß? Haben sich die politischen Strömungen dergestalt manifestiert, dass die Fronten nur noch schwer wieder aufzuweichen sind? - Milde und Güte keine Bedeutung mehr haben hinter dem Primärziel die Wirtschaft am Laufen zu halten? Die politischen, ethisch-moralischen Gedankenansätze sollten als Frage stehen bleiben. Vernünftige Kompromisse sind schwer zu finden. - Hoffnung bleibt.

Bei Nazzarena Poli Maramotti wird man mit der Auflösung von Strukturen in der Gegenwart konfrontiert. „i Metamorphosi“ geben eine Ahnung davon, wie unser Denken sich verändert unter der ständigen digitalen Reizüberflutung. Wie vielleicht am Ende nur noch eine Erinnerung vereinfachter, radikal simplifizierter, verschleierter Fragmente von Wissen und Wahrheit bleiben werden, wie es Nazzarena Poli Maramottis ästhetisch perfekte Ansicht einer Vase mit Blumen zeigt. In ihr Leichtigkeit, als hätte japanischer Einfluss das Wirken beseelt. Die Vase glaubt man sofort zu erkennen, aber die Abstraktion könnte auch anders gedeutet werden. Was würde KI als Definition des Werkes liefern? Als Beschreibung? Und warum der Titel „Metamorphosen?“

Ganz kurz fliegt ein Gedanke zu Ovid, macht die Runde zu Pompeji, schießt vertikal in die Tiefe, wo kristallisiertes Gestein unter wachsender Last der darüber liegenden Oberfläche und der anwachsenden Temperatur in die Tiefe metamorphosiert. Schmelzen mobilisierend, in der Nähe von Hot Spots. Aufsteigend, zirkulierend, vielleicht nach Abkühlung wieder absinkend, wie es wunderbar veranschaulicht ist bei den Lavalampen. Einem Designer Highlight aus den Siebziger Jahren.

Vielleicht sinken manche Phasen nicht wieder ab, und je nach Gasgehalt bahnt sich eine Katastrophe an.

Wann war der letzte Ausbruch des Vesuvs? Wie viel Zeit würde man haben, wenn sich der Ausbruch nach vermehrten Erdbebenaktivitäten ankündigt? Würde man die pyroklastischen Ströme und Gas-Aschewolken bei einem Ausbruch „abziehen“ können? - Quasi in andere Sphären leiten können?

Hatte Nazzarena Poli Maramotti soweit gedacht beim Ausführen ihrer Arbeit die als Auftrag eines Mailänder Museums entstand? Metamorphose im Hinblick auf Material, das, wenn es sich auflöst, wieder in den Kreislauf der Massen zurückgeführt wird? Das sich wieder mit dem Großen Ganzen, dem Alleins, unter Einwirkung der alles umfassenden Urkraft in ihren verschiedenen Parametern und Zuständen verbindet?

Am Ende hat man auf der ART COLOGNE wieder einen Eindruck von der Genialität der Schöpfer gewonnen.

Auffällig ist, die Anzahl der Bücher im Eingangsbereich zur Messe hat sich reduziert. Die Anordnung ist sehr ausgewählt. - Worum es geht? - Offensichtlich um ALLES. Die 2023 für das Lebenswerk ausgezeichnete Buchhandlung Walther König hat viele der Bücher, ganz eigene Kunstwerke und Zeitdokumente für sich, stark reduziert. Wer die Gelegenheit nutzen kann, findet hier Kostbarkeiten, die möglicherweise vom Markt verschwinden und nur noch als Sammlerstücke gehandelt werden.

Das ganze Spektrum, alle Facetten, alle bespielbaren Schauplätze, Geschichte, Politik, Einwanderung, Frauenkampf, Virtuelle Welt, Augmented Reality, Medien, Talks… alles ist zwischen Buchdeckeln zu finden. Nur mit der Religion ist man vorsichtig. Alle umschiffen das tosende Wasser, von dem nicht klar ist, ob es sich so schnell wieder beruhigen kann, denn die Kriege der Welt haben nicht selten auch religiöse Wurzeln, bzw. mitunter den Willen, die Religion zu entkräften. Dass aber bei allem Unverständnis über die Gesetze in der Welt oft die meditativen, kontemplativen Ruhephasen die kraftspendenden Momente liefern, die dem Gehirn Struktur geben und die Ordnung im Denken bedingen, die gebraucht wird, um weiter innovativ nach vorn zu denken, kann nicht unberücksichtigt bleiben.

Schlussendlich landet man wieder bei der Frage nach Wasser und Wein. Bzw. Sekt oder Selters. Oder in gehobenen Klassen: Beim Champagner. - Louis Roederer zeigt sich überall auf der Messe. Nicht nur im verborgenen VIP Bereich. Die Kunstwelt bietet der Krise tapfer die Stirn und vergisst dabei auch das Leben nicht.

Die Welt im ständigen Wandel wird gespiegelt, der Spiegel wird vorgehalten und man muss achtgeben, dass man im Spiegel nicht etwas ablichtet, was nicht gesehen werden will. - Oder soll.

Pomp eji in der 360° Ansicht ist der Aufmacher der 2024 Messe! Was von 79 vor Chr. übrig blieb? … Die alten Römer hätten es geliebt. Auch wenn sie die Demokratie anno dazumal empfindlich beschädigt hatten. Heute ist wieder der Punkt erreicht, an dem die Demokratie in Gefahr ist. Die ART COLOGNE liefert Denkansätze zum Weiterdenken.

Kunst ist und bleibt Kritik und alternative Kommunikation. Rat, Vision, Querdenken und das Prinzip Hoffnung.

Ein mehr oder weniger subjektiver Standpunkt der jeweils gegenwärtigen Lage der Welt. Und die besten Positionen und Visionen auf der ART COLOGNE suchen auch in diesem Jahr wieder ihre wertschätzenden Beachter und Sammler.

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